Wir haben innerhalb des letzten halben Jahres drei Fälle erlebt, in denen die Blogosphäre ihre Stärke bewiesen hat, ihre Kraft, Nachrichten durch schiere Masse in die klassischen Medien zu drücken: Heilmann und die Wikipedia, Zwanziger und Jens Weinreich und nun die Deutsche Bahn und Netzpolitik.
Ich sehe in allen drei Fällen Ähnlichkeiten. Zwar war das Thema jedesmal ein anderes, die Form aber, das rechtliche Vorgehen gegen unerwünschte Inhalte und der anschließende Aufschrei der Blogosphäre, war diesselbe.
Und da stimme ich Ralf Bendrath wiederum zu: Die Macht der sozialen Medien ist beschränkt. Es müssen meines Erachtens drei Faktoren zusammen kommen, um die Themen tatsächlich in die klassichen Medien zu drücken: ein exponierter, gut vernetzter Akteur der digitalen Gesellschaft muss betroffen sein, der Klagende muss qua Amt und/oder Funktion schon kritisch beurteilt werden (Heilmann war Mitglied der Linkspartei, der DFB erfreute sich als „Funktionärsverein“ noch nie hoher Beliebtheit und über die Bahn brauchen wir nicht reden) und der David-versus-Goliath-Effekt muss zum Tragen kommen.
Allen drei ist auch gemein, dass die Nutzer der sozialen Medien nicht mehr als das Publikum sein können, quasi die „öffentliche Stimmung“(wie Sasha Lobo es nennt) ausdrücken können. Daraus erwächst aber noch keine reale Aktionskraft.
Man konnte es im Falle der Burma-Solidaritätskampagne beobachten. Da engagierten sich Viele mit Beiträgen für die Emanzipation des burmesischen Volkes. Zwei Wochen später war das Thema aber verpufft und die Lage in Burma eher schlimmer denn besser geworden.
Wird nun ein Blogger verklagt/bedroht, muss er die folgende Auseinandersetzung alleine durchstehen. Nur er allein wird vor Gericht stehen, sein Ruf steht auf dem Spiel, er muss mit den Folgen leben. Und darin sehe ich die Grenzen der Solidarität – Grenzen, derer sich die Blogosphäre, die sich gerade anerkennend auf die Schulter klopft, bewusst sein muss.
Ausserdem wird die Zeit, in der es Akteure gab, die sich der Spielregeln des Internets nicht bewusst waren, vorübergehen, die Ewiggestrigen werden aussterben. Solch relativ klare Strukturen, wie wir sie in den drei Fällen beobachten können, werden dann nicht mehr so leicht zu erzeugen und damit die Masse der Nutzer nicht mehr so leicht zu mobilisieren sein.
Langfristig wird die Masse der Blogger und Twitter-Nutzer mit jeder neuen Generation zu nehmen, die Interessensgegensätze der realen Gesellschaft werden sich spiegeln im Internet – und ironischerweise könnte dann die Masse, „the long tail“, zum Problem werden, weil sie alle Solidaritätsbekundungen unter sich begräbt – für demonstrierende Mönche wie abgemahnte Blogger. Der Einfluss der Blogs/Microblogs wird absolut größer, aber relational kleiner. [1]<
Ich glaube, dass sich die Gesellschaft dann in all ihren Facetten auf die neuen Spielregeln einstellt – hat sie das getan, wird der Brennglas-Effekt, den wir an den drei oben angeführten Beispielen beobachten konnten, erheblich schwieriger zu erzielen sein.
Denn wer wird sich schon in dieser zukünftigen, durchdigitalisierten Gesellschaft für den Blog einer Hausfrau interessieren?
Wer würde es denn lesen, wenn dieser Frau ein vermeintliches Unrecht geschieht?
Die Macht der Sozialen Medien reicht nicht so weit, wie wir glauben. Und die Solidarität erst recht nicht.
[Disclaimer: Diesen Post hatte ich zuerst als einen Kommentar auf netzpolitik.org veröffentlicht. Hier habe ich ihn nur um Links ergänzt und FUNK_FEUER angepasst.]
Zweipunktnull und Lobo sehen das anders. Lobo träumt von einer „Morgendämmerung für die Blogs“ und Zweipunktnull spricht etwas vorsichtiger von einer neuen Partnerschaft zwischen Blogs und klassischen Medien. Spannend dabei ist, dass wir drei alle von der gleichen Annahme, steigender absoluter Einfluss von Blogs, ausgehen, aber zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen.